Ende der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht – wann kommt die Insolvenzwelle?
Die ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie sind weiterhin gravierend. Mit staatlichen Förderungsprogrammen und der ausgesetzten Insolvenzantragspflicht versuchte die Bundesregierung die von der COVID-19-Pandemie gebeutelten deutschen Wirtschaft zu stützen. Bei der Bewertung der ökonomischen Folgen dieser Maßnahmen sind sich die Experten uneins. Doch eines scheint unausweichlich: ein deutlicher Anstieg der Unternehmensinsolvenzen im zweiten Halbjahr 2021. Doch wie wahrscheinlich ist dieses Szenario?
Im Jahr 2020 meldeten rund 17.000 Unternehmen in Deutschland Insolvenz an und somit 9 % weniger als noch 2019. Allerdings ist dieser Umstand der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht mit Gültigkeit bis zum 30. April 2021 geschuldet. Insofern rechnen viele mit rund ca. 4.500 sogenannter „Zombie-Unternehmen“. Dabei handelt es sich um Firmen, die zwar noch aktiv, nicht aber wirtschaftlich überlebensfähig sind und die unter anderen rechtlichen Rahmenbedingungen bereits vom Markt verschwunden wären.
Ein Anstieg der Regelinsolvenzen im Dezember 2020 im Vergleich zum Vormonat um 18 % setzt die Entwicklung von November fort, in dem bereits 5 % mehr Anträge als im Oktober 2020 gestellt wurden.
Zeitgleich wurden ein neues Gesetzt über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) auf den Weg gebracht. Hierdurch sollen Unternehmen die Chance geboten werden, frühzeitig außerhalb eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens vorbeugend zu sanieren und zu restrukturieren. Zusammen mit den staatlichen Corona-Hilfen und der zeitweise ausgesetzten Insolvenzantragspflicht sind das die staatlichen „Insolvenzwellenbrecher“.
In der Gesamtschau spricht daher vieles dafür, dass die anstehende Insolvenzwelle vergleichsweise moderat ausfallen wird. Zusätzliche Insolvenzen im vierstelligen Bereich, was einem Anstieg von bis zu 50 % entspricht, sind im Lichte historischer Erfahrungen und angesichts der aktuellen Prognosen und Experteneinschätzungen jedoch durchaus plausibel.
Horrorszenarien mit einer Vervielfachung der Insolvenzzahlen erscheinen hingegen auch angesichts der aktuellen Entwicklungen unrealistisch. Die große Insolvenzwelle bleibt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus.
Gleichwohl ist die aktuelle Corona-Krise einzigartig und die Unsicherheit solcher Prognosen bleibt hoch. Entsprechende Zahlen zum Insolvenzgeschehen liegen erst mit einigen Monaten Verzögerung vor. Die Insolvenzen werden erst in der Statistik erfasst, wenn sie formal eröffnet sind, üblicherweise zwei bis drei Monate nach Antragstellung beim Amtsgericht. Die Statistik der eröffneten Insolvenzanträge wird wiederum etwa 70 Tage später veröffentlicht. In anderen Worten: Ob die Zahl der Insolvenzanträge im z. B. Oktober – nach weitgehender Reaktivierung der Insolvenzantragspflicht – stark anstieg, kann belastbar erst ca. im Mai/Juni 2021 festgestellt werden.
Aktuelle Insolvenzzahlen deuten beispielsweise darauf hin, dass derzeit eher wirtschaftlich größere Unternehmen mit höheren Forderungen und mehr Beschäftigten Insolvenzanträge stellen. Zu den größten Unternehmenszusammenbrüchen zählen hierbei die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof und zahlreiche Unternehmen im Modeeinzelhandel, wie z. B. Esprit und Bonita.
Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass Unternehmen in dieser wirtschaftlich schwierigen Phase auch auf anderen Wegen aus dem Markt ausscheiden können, wie durch Unternehmensaufgaben oder Zusammenschlüsse. Auch diese „Exits“ haben eine Auswirkung auf die Wettbewerbssituation oder die Beschäftigten.
Eine spürbare Erhöhung der Schäden für die Gläubiger von insolventen Unternehmen konnte hingegen bereits aktuell festgestellt werden. Waren es im Jahr 2019 noch 23,5 Mrd. Euro, erhöhte sich diese Zahl 2020 auf 34,0 Mrd. Euro.
Es bleibt daher abzuwarten, ob die Insolvenzwelle tatsächlich auf uns zukommt oder durch die Reform des Insolvenzrechts, sowie die Corona-Hilfen auch weiterhin eine Eindämmung der Anträge nach Ende der Aussetzung der Anträge erreicht werden kann.